Wir müssen digitale Grundrechte anders erzählen – und endlich lauter werden

Vor einiger Zeit habe ich netzpolitik.org verlassen – nach fast 20 Jahren, in denen wir gemeinsam viel bewegt haben. Danach habe ich mir bewusst Zeit genommen: Was braucht es jetzt? Wo kann ich meine Erfahrung und mein Wissen am wirksamsten einsetzen, um für eine bessere digitale Welt zu kämpfen?
Eine Erkenntnis hat sich schnell herauskristallisiert:
Wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Kommunikationsproblem.
Die digitale Zivilgesellschaft in Deutschland ist stark – vielleicht stärker als in jedem anderen Land. Es gibt viele engagierte Menschen, Organisationen und Initiativen, die sich gut vernetzt für digitale Grundrechte, Transparenz, Datenschutz und Gemeinwohl einsetzen. Doch oft bleiben wir meist in unseren Themenblasen. Unsere Anliegen klingen für viele zu technisch, zu kompliziert, zu weit weg vom Alltag.
Das müssen wir ändern – jetzt.
Denn draußen, im schnellen medialen Diskurs, dominieren andere Erzählungen: Die der großen Tech-Konzerne, orchestriert mit PR-Budgets in Millionenhöhe. Ihre Narrative bestimmen, was als fortschrittlich gilt – auch wenn es oft nur ihren Interessen dient.
Dabei stehen wir mit diesem Problem nicht allein da.
Die Klimabewegung und der konstruktive Journalismus haben es vorgemacht: Fakten allein reichen nicht. Selbst dann nicht, wenn sie unbestreitbar sind. Nur wer neue, zugängliche Geschichten erzählt – wer Emotionen weckt, greifbare Beispiele bringt und neue Kommunikationswege geht – kann Menschen erreichen und bewegen.
Von diesen Strategien können wir lernen. Wir müssen es sogar.
Seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung – als Aktivist, Journalist und Gründer. Jetzt habe ich ein neues Projekt ins Leben gerufen, das all das bündeln soll:
Das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie
Unsere Ziele:
- Digitale Grundrechte sichtbar machen.
- Demokratische Stimmen stärken.
- Mehrheiten für eine Menschen-zentrierte Digitalpolitik schaffen.
Wir fragen uns:
- Wie erzählen wir digitale Grundrechte so, dass sie verständlich und berührend sind?
- Wie üben wir mehr Druck auf Politik und Unternehmen aus, damit sie unsere Rechte respektieren und schützen?
- Wie durchbrechen wir die Erzählmacht von Big Tech – mit demokratischen Gegen-Narrativen?
Denn: Es steht viel auf dem Spiel.
Die digitale Welt ist längst kein Nischenthema mehr. Spätestens seit Donald Trumps zweitem Wahlsieg wissen wir: Sie ist ein zentraler Schauplatz für die Zukunft unserer Demokratien.
Wenige Konzerne – oft in der Hand Einzelner Milliardäre – kontrollieren unsere digitalen Infrastrukturen. Sie bestimmen, wie wir kommunizieren, was wir sehen, welche Informationen sichtbar sind. Und sie gestalten ihre Systeme so, dass sie ihren eigenen Profit maximieren und ihren eigenen Ideologien dienen – nicht unserem Gemeinwohl.
Das gefährdet unsere Demokratie, unsere Grundrechte, unseren fairen Wettbewerb.
Gleichzeitig wirkt die Politik oft überfordert. Vieles bleibt reaktiv, statt proaktiv und strategisch. Und viele Medien wissen in der täglichen Dynamik nicht, wen sie für Einordnung, Orientierung und fundierte Kommentare ansprechen können.
Deshalb starten wir mit einem Newsroom für digitale Grundrechte.
Wir wollen Journalist:innen und Multiplikator:innen mit schnellen, verlässlichen und verständlichen Einschätzungen versorgen – zu aktuellen Entwicklungen, zu strukturellen Fragen, zu gesellschaftlichen Folgen von Technologie. Damit sie sprechfähig bleiben – auch wenn es kompliziert wird.
Wir wollen:
- Lösungsorientiert kommunizieren
- Die persönliche Betroffenheit sichtbar machen
- Konstruktive, informierte Debatten fördern
Unsere Strategie: Plattformübergreifend, experimentierfreudig, nahbar
Wir entwickeln eigene Formate wie Podcast, Newsletter und kurze Social-Content-Formate. Wir bespielen bestehende Plattformen – Bluesky, Mastodon, LinkedIn, Instagram, TikTok – und wollen neue Kanäle wie Twitch und Messenger testen. Ja, wir kritisieren viele dieser Plattformen. Aber gerade deshalb müssen wir dort präsent sein – um Menschen für Fragestellungen zu sensibilisieren, auf Alternativen aufmerksam zu machen und sie zu erreichen.
Was wir noch wollen: Brücken bauen, Allianzen schmieden
Wir wollen:
- Mit Medienhäusern in Kooperationen neue Erzählformen ausprobieren
- Organisationen unterstützen, die gerade erst digital aktiv werden
- Unternehmen als Partner gewinnen, die unsere Werte teilen – auch wenn sie wirtschaftlich denken müssen
Denn wir sind überzeugt: Gemeinsam sind wir stärker. Für einen besseren Dialog über die digitale Gesellschaft.
Möglich macht das eine Grundfinanzierung durch den Campact e.V., die auch eine Minderheitenbeteiligung am Zentrum für Digitalrechte und Demokratie haben und als erster Partner dabei sind.
Sie erlaubt es uns, ein kleines Team aufzubauen, loszulegen und erste Formate zu entwickeln. Vielen Dank für das Vertrauen und die Förderung!
Aber wir stehen mächtigen Gegnern gegenüber – mit ungleich größeren Ressourcen.
Um der Erzählmacht von Big Tech demokratische Narrative entgegenzusetzen, brauchen wir Deine Unterstützung.
Ob durch Reichweite, Know-how oder Spenden:
Hilf mit, dieses Projekt stark zu machen. Werde Teil unserer Schwarmkraft.
Denn digitale Grundrechte müssen nicht nur verteidigt – sie müssen auch neu erzählt werden.
Mehr Details zum Zentrum für Digitalrechte und Demokratie findest Du auf der Webseite und in diesem Interview im Campact-Blog. Kommende Woche Montag werde ich in meiner Keynote auf der re:publica (13:45-14:45) noch mehr Einblicke geben, wie wir arbeiten werden.
Weitere Hintergründe finden sich auch im Interview mit Heise/c´t und auf netzpolitik.org.