Ein kleiner Klick für Dich, ein großer Klick für Mark Zuckerberg

Ein kleiner Klick für Dich, ein großer Klick für Mark Zuckerberg
Für 100 Euro Instagram werbefrei und der ganze Scheiß bleibt trotzdem?

Instagram und Facebook werbefrei nutzen? Was hinter der verwirrenden Abfrage steckt, ob Nutzende Meta-Produkte künftig entweder ohne maßgeschneiderte Werbung und kostenfrei oder für € 7,99 im Monat werbefrei nutzen wollen.

Diese Analyse habe ich zusammen mit Michael Kolain für das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie geschrieben. Meinen eigenen Newsletter kannst Du hier rechts unten abonnieren.

Aktuell bekommen Instagram- und Facebook-Nutzende einen Hinweis, dass der Meta-Konzern „aufgrund der Gesetzgebung in deiner Region“ darum bitten müsse, „deine Wahl zur Werbung erneut zu prüfen“. Als nächstes öffnet sich ein Fenster mit der Frage, ob man „ein Abo abschließen oder unsere Produkte weiterhin kostenfrei mit Werbung verwenden“ wolle. Um Instagram ohne Werbung zu nutzen, muss man mindestens 7,99 Euro / Monat für ein „Abo“ zahlen. Eine hohe Hürde für alle, die Instagram einfach heruntergeladen hatten, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was mit den eigenen Daten im Hintergrund passiert. Alternativ könnten Nutzende die App weiter „Kostenfrei mit Werbung nutzen“ und Produkte und Marken“ mit personalisierter Werbung neu entdecken, wie das in professionellem Werbesprech beschrieben wird.

Ein kleiner Klick für Dich, ein großer Klick für Mark Zuckerberg

Zunächst ist wichtig zu verstehen: Instagram und Facebook sind hochprofitable Produkte und haben Mark Zuckerberg zu einem der reichsten Menschen der Welt gemacht. Die Apps waren für Nutzende bislang nur deshalb kostenfrei, weil wir bei Meta nicht mit Euro bezahlen, sondern mit einem tiefen Einblick in unsere Privatsphäre, unser Konsumverhalten und unsere persönlichen Vorlieben. So viel wie Mark Zuckerberg über uns zu wissen - davon kann eine „Payback“-Karte nur träumen.

Das Geschäftsmodell der sozialen Netzwerke finanziert sich – ähnlich wie private Fernsehsender – nicht durch die Nutzende, sondern durch zahlende Werbekunden (allein im 1. Quartal 2025 machte der Meta-Konzern 16,6 Milliarden Euro Gewinn!). Anders als im Fernsehen gibt es aber keinen Werbeblock für alle, sondern die Nutzende sozialer Netzwerken kriegen auf sie persönlich maßgeschneiderte Werbeanzeigen eingeblendet.

Doch was steckt hinter der Wahl zwischen kostenfrei und Abo?

Hinter der Formel „Gesetzgebung in deiner Region“ verbirgt sich das neue Digitale Märkte Gesetz (engl. Digital Markets Act) der Europäischen Union. Das Gesetz soll einen fairen Wettbewerb und mehr Verbraucherschutz im Internet erreichen – und die Marktmacht dominanter Akteure wie Meta, Google oder Amazon begrenzen. Der DMA untersagt es großen Plattformen mit mehr als 45 Millionen monatlichen EU-Nutzenden, deren Daten zusammenzuführen, um ihnen personalisierte Werbung auszuspielen. Personalisierte Werbung heißt: Wer sich auf Instagram das Video einer befreundeten Kosmetikerin angeschaut hat, bekommt anschließend Werbung für Gesichtscremes – wer Influencern folgt, die Tipps für Yoga geben, bekommt anschließend Leggings und Turnmatten zum Kauf angeboten. In perfiden Fällen erhalten Personen, die sich über eine Diät informieren, weil sie im Sportunterricht gemobbt wurden, anschließend Abnehmpillen oder Videos von besonders schlanken Models mit Beauty-Tipps angezeigt.

Wenn Meta nun eine Bezahlversion ohne Werbung anbietet, handelt der Konzern nicht aus gutem Willen oder weil Mark Zuckerberg die Nutzenden plötzlich nicht mehr totalüberwachen will, um sie zum maßgeschneiderten Konsumenten für ihre Werbekunden zu machen. Sondern weil die EU-Kommission den Tech-Konzern schon im Mai 2025 mit einem Bußgeld von 200 Millionen Euro verdonnert hat. Zuvor war Meta unkooperativ und weigerte sich, die Vorgaben aus Brüssel umzusetzen. Deshalb verhängte Brüssel eine Strafzahlung (die Meta vermutlich aus der Portokasse zahlen kann) und verhängte eine Frist, die Vorgaben umzusetzen. Meta handelt jetzt in erster Linie, um weiteren Sanktionen – bis hin zur Zerschlagung oder hohen Zwangsgeldern - zu entgehen.

Doch warum das „Abo“ mit 7,99 €?

Der DMA verbietet personalisierte Werbung nicht generell, sondern öffnet den Plattformen ein Hintertürchen: Das Nutzerverhalten beim Scrollen durch Instagram darf der Meta-Konzern weiterhin mitschneiden, um den Kunden die Produkte der meistbietenden Werbekunden anzuzeigen. Aber nur, wenn die Nutzenden in die personalisierte Werbung ausdrücklich einwilligen. Diese Einwilligung holen Instagram und Facebook sich gerade ab.

Der DMA sagt aber auch: Die Nutzenden müssen eine echte Wahl darüber haben, ob sie der personalisierten Werbung zustimmen  – sonst ist es keine Einwilligung. Wer also nicht damit einverstanden ist, dass Instagram sein Nutzerverhalten komplett mitschneidet, und personalisierte Werbung ausspielt, muss die Angebote trotzdem nutzen können. Da Meta dadurch bares Geld entgeht, das Werbekunden sonst gezahlt hätten, schafft der Konzern die Bezahlvariante. Das Versprechen: statt mit den persönlichen Daten, zahlen wir nun mit Euro.

Vorhang auf und viele Fragen offen

Das sog. „Pay or consent“-Modell, das Meta jetzt auf Druck aus Brüssel einführt, gibt auf den ersten Blick Personen eine Alternative, denen ihre Privatsphäre und mentale Gesundheit wichtig ist – und die Instagram und Facebook als das nutzen wollen, was es eigentlich einmal sollte: ein soziales Netzwerk zum persönlichen und gemeinsamen Austausch.

Die Art und Weise wie der Meta-Konzern nun die „Einwilligung“ einholt und den Nutzenden die Wahl zwischen Geld oder Datenverkauf präsentiert, ist aus Sicht des Verbraucherschutzes hochproblematisch. Die Reichweite und Konsequenzen der Wahl dürfte den meisten Menschen nicht klar werden – dafür sorgen verwirrende und manipulative Texte, die offensichtlich dazu animieren sollen, schnell weiterzuklicken. „Klicken Sie weiter, hier gibt es nichts zu entscheiden“. So werden viele Personen einfach OK klicken, ohne genau verstanden zu haben, worum es geht. Eine „freiwillige“ und „informierte“ Einwilligung ist das nicht. Vielmehr sind es sog. „dark patterns“, die nach den neuen EU-Digitalgesetzen als „Praktiken, die darauf abzielen, dass Nutzer keine autonome und informierte Auswahl oder Entscheidung treffen“ eigentlich untersagt sind.

Es bleibt nun abzuwarten, ob hinter der Bezahlschranke auch wirklich ein „gleichwertiges“ Angebot steht – oder ob Meta es bewusst so ausgestaltet, dass Nutzer:innen sich für 7,99 € im Monat gelackmeiert fühlen.

Aber auch viele weitere Fragen bleiben offen:

Ist der Preis von 7,99 € so hoch oder das hinter stehende Angebot so schlecht, dass Menschen sich am Ende nicht frei entscheiden? Wie genau kommt Meta eigentlich auf den Preis von 7,99 € als Gegenleistung für ein werbefreies Angebot – was verdient Instagram denn im Schnitt pro User? Wirkt die „Eintrittskarte“ zu Instagram und Facebook gerade auf finanziell schwache Menschen abschreckend? Verarbeitet der Meta-Konzern die Daten der Abokunden wirklich nicht weiter – wie können wir das wirklich kontrollieren?

Geht die EU-Kommission jetzt konsequent gegen BigTech vor?

Leider nicht.

Die Vorgänge sind kein Zeichen dafür, dass die EU-Kommission den DMA - trotz oder wegen des Handelsstreit mit US-Präsident Trump - engagiert umsetzt. Momentan befindet sich Brüssel in einer Schockstarre und scheint aus Angst vor Zöllen aus den USA nicht bereit, unsere Digitalrechte konsequent umzusetzen.

Das Verfahren gegen Meta wurde bereits vor einem Jahr abgeschlossen. Die Veränderungen, die Meta gerade ausrollt, gehen auf eine Entscheidung aus dem Jahre 2024 zurück - also bevor Donald Trump an die Macht kam. Bereits vor einem Jahr hatte die EU-Kommission Mängel bei Meta beanstandete, die der Konzern nicht gelöst hatte - und ein Bußgeld verhängt. Brüssel setzte eine  Frist von einem Jahr, um die Entscheidung umzusetzen - sonst drohten weitere Sanktionen.

Wird das Internet nun ein sicherer Ort?

Vermutlich nicht. 

Meta wird unser privates Verhalten weiter bis ins Detail überwachen, um damit Geld zu verdienen. Und Mark Zuckerberg wird seine Personalisierungs-Maschinen weiterhin bespielen und trainieren, um unsere Privatsphäre, Aufmerksamkeit und Vorlieben an Werbekunden zu verkaufen. Bis der Europäische Gerichtshof ihm - nach dem Urteil des OLG Köln zur Meta-AI – einen Strich durch die Rechnung macht, wird Meta die Daten der zahlenden Kunden, die dem nicht widersprochen haben, auch in seine Künstliche Intelligenz kippen.

Ohne einen Blick in den Maschinenraum des Meta-Konzerns wird stets unklar bleiben, was mit den Daten der zahlenden Kunden wirklich geschieht – also ob sie wirklich nicht zusammengeführt und zur Vermessung des individuellen Verhaltens benutzt werden. Es gibt keinen Grund, Mark Zuckerberg zu vertrauen.

In Zeiten einer Trump-Regierung, dem sich auch Mark Zuckerberg zu Füßen wirft, werden unsere Nutzendenprofile womöglich auch in den Händen eines aggressiven Autokraten landen, der seine Interessen rücksichtslos durchsetzt. Die EU-Kommission sollte ihre Kontrollbefugnisse nutzen, um Meta ganz genau auf die Finger zu schauen. Verbraucherschutzorganisationen sollten die „werbefreien“ Meta-Produkte ganz genau beobachten - und gegebenenfalls dagegen Klage erheben.

Ob Meta den Abokunden wirklich ein „gleichwertiges“ Angebot anbieten wird, steht in den Sternen. Viel spricht dagegen. Am Ende könnten die zahlenden Nutzenden – welch Ironie – eine Art „Kunden zweiter Klasse“ sein, weil Meta mit dem kostenfreien Angebot viel mehr Geld verdienen kann.

Und: Die Umstellung auf ein Bezahlmodell als Alternative ist insbesondere keine Antwort auf die enormen Gefahren personalisierter Werbung. Was ist der gesellschaftliche Mehrwert davon, wenn Konzerne unsere Vorlieben kennen, um Werbung auf uns maßzuschneidern? Statt kosmetischen Korrekturen an einzelnen ausbeuterischen Geschäftsmodellen aus den USA vorzunehmen, sollten wir als Gesellschaft darüber diskutieren, das System der personalisierten Werbung generell auf den Prüfstand zu stellen.

Tracking und personalisierte Werbeprofile brauchen vielleicht keine strengeren Regeln oder gar individuelle Wahlfreiheit - sie könnten aufgrund ihrer schädlichen Auswirkungen auf die unsere Selbstbestimmung generell verboten werden. Dann müssten wir auch nicht mehr über Altersgrenzen für Social Media diskutieren - sondern soziale Netzwerke wären wieder das, wofür sie einmal angetreten waren:

Ein offener, selbstbestimmter und unüberwachter Raum des persönlichen und gesellschaftlichen Austausches. Mit den Big Tech - Angeboten, die uns zu Konsumierenden und Datenlieferanten degradieren, wird das nicht passieren. Wir brauchen europäische Alternativen!

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Die EU will an unsere privaten Chats!

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Im kommenden Jahr 2026 will die EU-Kommission „technische Lösungen“ liefern, damit Sicherheitsbehörden in jede Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation hineinschauen können – und selbst Open-Source-Dienste wie Signal sollen zu Überwachungs­-Schnittstellen gezwungen werden. Das wurde heute von der EU-Kommission angekündigt. Warum das ein digitaler Super-GAU wäre: * Es gibt keine halbe Verschlüsselung. Sobald eine Hintertür

By Markus Beckedahl