Sneak Preview
Vor zwei Monaten hab ich meinen Ausstieg bei netzpolitik.org bekannt gegeben. Das Feedback im Anschluß hat mich sehr gefreut. Ich hatte angekündigt, dass ich hier einen Newsletter schreibe und anscheinend damit auch einige Erwartungen geschnürt.
Was ich mit diesem Medium hier anfange, weiß ich auch noch nicht genau. Ich habe gerade mehr Ideen als Zeit und deshalb werde ich ein wenig mit verschiedenen Formaten experimentieren. Das ist jetzt die erste Ausgabe.
re:publica 24 - Who Cares
Am meisten beschäftigt mich aktuell die kommenden re:publica. Vom 27.-29. Mai findet die von mir mitgegründete Konferenz unter dem diessjährigen Motto "Who Cares" wieder in der Station Berlin statt. Als kuratorischer Leiter baue ich mit dem Programmteam zusammen für über 25 Bühnensituationen an drei Tagen ein umfangreiches Proramm.
Das wird gewohnt vielfältig mit vielen gesellschaftlichen Fragestellungen der Digitalisierung und noch mehr Sprecher:innen aus vileen möglichen Bereichen.
Ein Großteil des Programmes ist bereits online, Tickets können noch erworben werden.
Es gibt in diesem Jahr mehrere thematische Schwerpunkte, die sich aus den technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben. Alleine das Motto "Who Cares" weckt zahlreiche Assoziationen, wie wir auch in der Entwicklung des Programmes gemerkt haben. Während die einen sofort an Care-Arbeit und feministische Diskurse denken, assoziieren andere das mit Pflegerobotern, die mit KI gesteuert werden. Und weitere denken an "Agency" und Verantwortung für Demokratie und Gemeinwohl übernehmen. Und das sind nur drei der zahlreichen weiteren Assoziationen.
"Künstliche Intelligenz" ist wieder ein Topthema, das in vielen Diskussionen und Vorträgen reflektiert und diskutiert wird. Aber auch der Rechtsruck in Deutschland und die Aussicht, dass demnächst Nazis zumindest in Teilen des Landes wieder an die Macht kommen könnten. Wie reagieren wir als engagierte Zivilgesellschaft darauf und welche Möglichkeiten haben wir, uns dem entgegen zustellen?
In der nächsten Ausgabe werde ich etwas mehr Einblicke in unsere kuratorische Programmarbeit geben und mehr Highlights vorstellen. Das gibt mir auch eine Deadline, dass ich die zweite Ausgabe schneller publizeren muss.
Public Money, Public Code bei Hakendran
Ich war wieder zu Gast bei "Hakendran", dem Social Media Podcast von Gavin Karlmeier. In der heute erschienen Ausgabe diskutieren wir über ein mögliches Verbot von TikTok in der EU (Hint: Es ist tatsächlich möglich und es gibt zwei Wege dahin) und loben die Open Source Strategie der Öffentlich-Rechtlichen Anstalten.
Ich erinnere mich noch an erste Diskussionen mit Vertreter:innen von ARD nud ZDF vor 17 Jahren, bei denen wir schon Open Source und Offene Standards gefordert haben. Das habe ich seitdem bei jeder Gelegenheit wieder gerne gemacht, denn es macht ja sehr viel Sinn. Und Leonhard Dobusch hat als Fernsehrat (für das Internet) unsere Ideen vehement in den Strukturen voran gebracht.
Nun wird das endlich umgesetzt und ich freue mich, dass steter Tropfen manchmal tatsächlich den Stein höhlt. Ab nächstem Jahr soll die gemeinsame Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Mediatheken in einem gemeinsamen Open-Source-Ökosystem erfolgen.
Spannend ist zusätzlich das ZDF-Kollaborations-Projekt "Public Spaces". Zusammen mit öffentlich-rechtlichen Sendern aus Belgien, Kanada und der Schweiz entwickelt das ZDF mit dem gemeinwohlorientierten New Public - Thinktank von Eli Pariser Prototypen für Werkzeuge zum öffentlichen Austausch und konstruktiven Dialog. Drei erste Tools wurden jetzt präsentiert. Auf der re:publica werden Vertreter:innen der vier Anstalten mit Eli Pariser zusammen mehr über das Public Spaces - Projekt erzählen.
Ich bin gespannt und bin froh, dass es endlich diese Entwicklungen gibt. Denn eine Aufgabe des öffentlich-rechltichen Rundfunks im digitalen Zeitalter muss sein, für gemeinwohlorientierte Infrastrukturvielfalt zu sorgen. Public Value sollte nicht nur im Programm gedacht werden. Einige haben das jetzt wohl verstanden.
Staatstrojaner auf dem Perugia Journalism Festival
Vor zwei Wochen war ich in Perugia in Italien, um das dortige International Journalism Festival zu besuchen. Das ist immer ein Highlight. Vor zwei Jahren habe ich mich sehr geärgert, als ich eine Einladung als Speaker hatte und einen Tag vor Abreise an Corona erkrankt war. Mein Panel hab ich dann hustend aus dem Arbeitszimmer mitgemacht, aber den ganzen Rest leider verpasst. Dieses Jahr wieder nur als Gast dabei und ich hab es trotz Kälte und Dauerregen sehr genossen.
Von den meisten Diskussionen und Talks gibt es Videoaufzeichnungen. Ein Video kann ich besonders empfehlen: Three years after the Pegasus Project, is regulation in sight or further away than ever?
Ich verfolge die Debatte um Staatstrojaner und die Onlinedurchsuchung seit mehr als 15 Jahren. Dieses Panel war wahrscheinlich das Beste, was ich dazu je auf einer Bühne gesehen habe. Basierend auf den Pegasus Recherchen von Forbidden Stories und moderiert von Laurent Richard schilderten Carine Kanimba und Galina Timchenko eindrücklich, wie sie Opfer von staatlicher Überwachung wurden und welche Auswirkungen das auf ihr Leben und ihre Arbeit hatte.
Zuerst verspürten sie viel Scham und Angst darüber, dass sie komplett ausgeleuchtet wurden und durch eigene Fehler andere Menschen in Gefahr gebracht haben. Bis sie realisierten, dass es nicht ihre Schuld war und das alle treffen kann. Denn es gibt kaum Schutz gegen skrupellose Akteure, die ihre Staatstrojaner allen verkaufen, die dafür zu zahlen bereit sind.
Schuld ist ein System, dass im Namen der Sicherheit massive IT-Unsicherheit schafft. Davon profitieren die Lieferanten, weil sie sehr gutes Geld verdienen. Und Staaten haben wenig Interesse, etwas dagegen zu tun, weil sie die Überwachungsmöglichkeiten auch nutzen wollen.
Das schilderte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnes Callamard und prangerte an, dass im Namen einer ominösen „Nationalen Sicherheit“ keine wirksamen Gesetze geschaffen werden, den Missbrauch dieser Überwachungstechnologien zu untersagen und sie stattdessen sogar noch weiter legalisieret werden. Mit dem Pegasus-Staatstrojaner sind zahlreiche Journalist:innen und Politiker:innen überall in der Europäischen Union und woanders überwacht worden. Konsequenzen gab es so gut wie keine. Das muss sich ändern.
Bücher zum Lesen
Zwei Bücher aus den vergangenen Wochen möchte ich hier empfehlen:
Der SZ-Kulturjournalist Andrian Kreye hat mit "Der Geist aus der Maschine - Eine superschnelle Menschheitsgeschichte des digitalen Universums" die vergangenen 35 Jahre Internetgeschichte mit einem Schwerpunkt auf die US-Perspektive beschrieben. Das ist kenntnisreicher und unterhaltsam zugleich.
"Die Brandstifter“ von Annika Brockschmidt gibt einen guten Überblick, wie die Republikaner in den USA seit den 60ern konsequent nach Rechts abgedriftet und bei Trump gelandet sind.
Das ist eine gute zeitgeschichtliche Einordnung und die Mechanismen helfen auch, unseren Rechtsruck zu verstehen, weil die Strategien immer zeitversetzt aus den USA auch bei uns landen und umgesetzt werden. Auch wenn das dann wiederum etwas Angst macht, wenn man sich den Aktionismus von CDU, CSU und FDP angesichts der AFD anschaut und das vergleicht.
Videos zum Schauen
Interessant fand ich die Netflix-Dokumentation "Das antisoziale Netzwerk: Memes, Verchwörungstheorien und Gewalt", die die Entwicklung von 4chan als zentraler Knotenpunkt einer sich immer weiter radikalisierenden Netzkultur gut in einen historischen Kontext gesezt hat. Was als vernetzter Spaß begann endete im Erstarken der Altright mit sämtlichen negativen Folgen für Demokratien und Netz-Kulturen.
Das erinnerte mich auch daran, dass ich mal 2008 für eine Woche in New York war und in der WG, wo ich damals wohnte ein netter Mensch namens Moot immer abhing und ich erst nach wenigen Tagen realisierte, dass er der Gründer und Admin von 4chan war. Damals war die Plattform noch weitgehend lustig mit mit der Entstehung von Anonymous auch subversiv, wurde für ihn aber auch schon zur Belastung. ich hab damals einen Netzpolitik-Podcast mit ihm gemacht.
Auf der Bühne
Kurzentschlossene können mich heute Abend im Deutschen Theater sehen, wo ich um 18:30 Uhr über "Überwachung in Zeiten künstlicher Intelligenz" sprechen werde.
Vor kurzem war ich auf den Medientage Mitteldeutschland und habe dort über "Lightmedium Social Media?" diskutiert. In der Phoenix-Mediathek gibt es eine Aufzeichnung.
In Dresden habe ich einen Vortrag zum Thema "Was braucht es für ein besseres Internet" gehalten, den es ebenfalls auf Video gibt.
Geht wählen
Am 9. Juni ist Europawahl. Auch wenn es möglicherweise schwerfällt, weil viele enntäuschen: Nicht wählen stärkt die AfD. Ist leider so. Ich hab schon gewählt, denn seit vergangener Woche kann man Briefwahlunterlagen anfordern. Ich war mir unsicher, ob ich am 9. Juni tagsüber in der Stadt bin und bin mit Briefwahl auf Nummer Sicher gegangen. Kostet nichts, kann man online anfordern. Hier funktioniert ausnahmsweise das eGovernment mal.
Das war die erste Ausgabe meines Newsletters. Ich bin unter markus@digitalpolitik.de erreichbar und freue mich über Feedback und Anregungen.
Viel Spaß und eine hoffentlich erholsames verlängertes Wochenende.
Eine bessere digitale Welt ist möglich.
Markus