TikTok-Verbot in den USA - eine Einschätzung
In den USA haben beide Kammern einem Verbot von TikTok zugestimmt, wenn das Unternehmen nicht verkauft wird. Eine Einschätzung.
Es klingt etwas absurd, wird aber langsam real: Nach dem US-Repräsentantenhaus hat nun auch der Senat einem Verbot von TikTok in den USA zugestimmt - wenn das Unternehmen nicht innerhalb eines Jahres an US-Amerikaner:innen verkauft wird.
Dafür werden vor allem geopolitische Gründe ins Felde geführt: Auch wenn das Unternehmen zu 60% schon in US-amerikanischer Hand mit Sitz in einem Steuerparadies sind, liegen die Kontrollrechte in chinesischer Hand.
Es gibt vor allem zwei Argumente:
- Aufgrund der Verbindungsdaten, wie z.B. wo ist ein Smartphone wann? Für was interessieren sich Nutzer:innen? Zu welchem Zeitpunkt sind sie aktiv? kann man viel über Menschen herausfinden, wenn man Zugriff auf die Daten hat. Es gibt die Vermutung, dass chinesische Geheimdienste Zugriff auf die Datenbanken haben und damit Menschen ausspionieren können.
- Die algorithmischen Entscheidungssysteme der Zusammenstellung der Timelines sind intransparent und höchstwahrscheinlich manipulierbar - wenn man Zugriff auf die Daten und Algorithmen hat. Damit können Desinformation effektiv verbreitet und Stimmungen manipuliert werden.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass daran etwas dran ist.
Ich glaube trotzdem, dass dies vor allem vorgeschobene Gründe für den tatsächlichen Grund sind: Wirtschaftsprotektionismus im Kampf der Systeme. Die USA dulden keine Konkurrenz bei der Dominanz der digitalen Welt.
Aus deutscher / EU-Sicht treffen die beiden Argumente gegen TikTok allerdings auch auf US-Plattformen zu. Seit den Snowden-Enthüllungen wissen wir sehr genau, dass US-Geheimdienste vollen Zugriff auf die großen Plattformen haben und das geopolitisch gerne nutzen. Gerade erst wurden die Befugnissen für die Überwachung des US-Auslandes verlängert und erweitert. Im Kampf der Systeme sind uns die USA natürlich näher als China. Aber unsere Daten und unsere Rechte sind bei beiden Vogelfrei.
Ein Verbot würde durch Netzsperren und/oder durch ein Verbot des Anbietens in App-Stores umgesetzt. Das klingt wie ein Präzendenzfall, wurde bei kleineren Anbietern aber schon durchgeführt.
Realistischer ist tatsächlich in Verkauf. Auch hier ist eher Pest und Cholera zu erwarten. Es ist leider wahrscheinlich, dass Käufer ein Mindset wie Peter Thiel oder Elon Musk haben werden.
Allerdings hat die EU mit dem DMA und dem DSA (und natürlich DSGVO und AI Act, etc) Werkzeuge in der Hand, um gegen die Marktmacht und Markt-Missbraucht von BigTech vorzugehen. Wie wirksam die sind, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Erste Verwaltungsakte haben viele Fragen aufgeworfen, die Bytedance beantworten muss.
Das muss konsequenter werden und wir brauchen eine bessere Ausstattung der Aufsichtsbehörden.
Auf der kommenden re:publica werde ich dazu mit Prabhat Agarwal darüber reden, der bei der EU-Kommission den DSA gegen Plattformen wie TikTok umsetzt.